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Familienaufstellungen und die Biographiearbeit: Das eigene Leben frei gestalten

Wie finden wir zurück zur Autonomie? Wann haben wir sie verloren? Und…Gibt es Schuld?

 

In der systemischen Familientherapie arbeiten wir mit Themen aus dem Familiensystem, die teilweise weit zurückliegen, so, dass sie in unserer Generation oft nicht mehr bewusst oder bekannt sind. Diese Arbeit ist zweifellos wichtig. Traumata aus der Vergangenheit wirken weiter bis sie gelöst oder geheilt werden. Sie haben Einfluss auf unser heutiges Leben. Unser Schicksal ist verwoben mit dem unserer Ahnen. Wir tragen mit, wir leiden mit, ohne es zu wissen. Das ist es, was wir „Verstrickungen“ nennen.

 

Wo ist aber der Augenblick, an dem wir in dieses Familiensystem mit all seinen Hintergründen und seiner spezifischen Vergangenheit einsteigen? In dieses feine Gewebe aus Vergangenheit und Gegenwart? Und wie geschieht dieses „Einsteigen“?

 

Da ist sicher der Augenblick, an dem unsere Seele - aus Gründen die wir nicht vollständig erkennen - sich zu dem Ort und zu dem Zeitpunkt unserer Geburt und für diese Familie entscheidet. Das ist der Zeitpunkt unserer „Konzeption“. Aber wie passiert das „Verstricken“ mit dem feinstofflichen Gewebe dieser Familie, das aus ihrer Vergangenheit entstanden ist. Es entsteht aus all dem, was unsere Ahnen erlebt haben.

 

Kriege, Hunger, Krankheit, Tod, Gewalt, Betrug, Mord usw. sind sicher Dinge, die Spuren hinterlassen. Dinge, die das feinstoffliche, energetische Gesicht einer Familie prägen.

 

Hier ist es gut zu schauen, welche Ereignisse unser persönliches System als belastend empfindet und hier, z. B. über eine Aufstellung, um Heilung zu bitten.

 

Aber schauen wir genauer auf unsere Lebensjahre als Kinder. Die meisten von uns sind entweder das, was wir „Kriegskinder“ nennen oder „Kinder von Kriegskindern“. Und auch wenn kein Krieg im Hintergrund unserer Eltern oder Großeltern steht, lohnt es ich einmal zu schauen, was im Leben dieser Menschen, die in der Ahnenreihe direkt vor uns stehen, prägend war. Waren diese Menschen in der Lage, uns, als wir Kinder waren, voller Empathie zu begegnen? Uns als neuen Menschen mit einer noch unbekannten, verborgenen Begabung zu sehen, zu lassen und zu fördern?  Martin Miller schreibt in seinem Buch: „Das wahre Drama des begabten Kindes“: „Jedes Kind kommt mit seiner eigenen Originalität auf die Welt und die Aufgabe der Eltern sollte es sein, diese zu fördern und das Kind darin zu unterstützen, seine Originalität zu entwickeln.“

 

Waren unsere Eltern dazu in der Lage? Oder waren sie, auf Grund eigener Traumatisierungen oder der Traumatisierungen ihrer Eltern, mit sich selbst beschäftigt? Waren sie damit beschäftigt zu kompensieren, zu überleben oder den Ansprüchen ihrer Eltern zu entsprechen?

 

Die Biographiearbeit

Es lohnt sich, sich genauer mit unserer Kindheit und Jugend zu befassen. Auf der Ebene der systemischen Therapie finden wir hier viele emotionale, unbewusste und unterdrückte Ursachen dafür, dass wir früher oder später nicht mehr wussten, wer wir eigentlich wirklich sind. Welche Anteile in uns sind eigene Charakteranteile oder Anteile unseres Selbstes, und welche sind sogenannte „Introjekte“ unserer Eltern, entstanden durch unsere Anpassungsfähigkeit an unsere Umwelt, unsere Fähigkeit zu überleben. Dieses Thema sollte wertfrei behandelt werden. Denn wer will hier Schuld sprechen? Jeder tut, was er kann. Aber, es ist sehr heilsam mit Hilfe der Biographiearbeit einmal genauer hinzuschauen und sich aus der Umklammerung der Fremdbestimmung zu lösen. Wenn wir in infantilen Verhaltensmustern stecken bleiben, ist es schwer, gesellschaftlichen Anforderungen nach zu kommen.  Es gilt also, die Anteile des „falschen Selbstes“ in uns zu erkennen und zu entfernen.  Wir haben unseren Eltern abgeschaut, wie man mit dem Leben, mit der Gesellschaft, mit Beziehungen usw. umzugehen hat. Dies waren sozusagen die ersten „Strickmuster“ die wir erlernt haben. Wenn uns keiner sagt, dass dies auch anders möglich ist, kommen wir vielleicht nicht auf die Idee. Wir benötigen als Kinder eine wohlwollende, einfühlsame, emotionale Umwelt um unsere eigenen Gefühle wahrzunehmen. War es uns als Kindern nicht erlaubt, Emotionen und Gefühle zu zeigen, haben wir irgendwann angefangen sie zu unterdrücken. Das kann soweit gehen, dass uns nicht bewusst ist, dass wir überhaupt Gefühle und Empfindungen haben. Sie sind sozusagen im Keim erstickt.  Das bedeutet leider nicht, dass sie nicht vorhanden sind. Wir haben sie auf die körperliche Ebene verschoben, wo sie früher oder später in Form von Symptomen und Krankheit wieder zu Tage kommen.

 

Weiter schreibt M. Miller in seinem Buch „das wahre Drama des begabten Kindes“:

„Warum übernimmt das Kind, der spätere Erwachsene, die Sichtweise der Eltern auf sich? Hier kommen die Spiegelneuronen ins Spiel. Dank dieser biologischen neuronalen Struktur verinnerlicht das Kind durch Identifikation mit seinen Bezugspersonen seine frühesten Beziehungserfahrungen als Ganzheit. Es fühlt wie sie und verhält sich wie sie. Elterliches Verhalten dem Kind gegenüber lässt sich im Selbst des Kindes quasi als ständiger Bewohner nieder und übt beim nicht abgelösten Menschen auch auf das erwachsene Verhalten und Erleben noch denselben Einfluss aus wie früher. Unabhängig davon, wie weit der Erwachsene sich vom Lebensentwurf der Eltern entfernt hat.“

 

Tatsächlich ist es oft so, dass wir, je mehr Raum die Eltern in uns einnehmen, wir umso mehr Raum zwischen uns, unsere Eltern und ihren „Lebensentwurf“ bringen müssen. Aus mangelnder Abgrenzung entsteht „Überabgrenzung“.

 

Machen wir uns noch einmal bewusst, dass unsere Kindheit der Vergangenheit angehört. Rückwirkend lässt sich hier nichts mehr ändern, auch Vorwürfe nutzen nichts. Man kann versuchen zu verstehen, warum unsere Kindheit so war, wie sie war. Das ist heilsam für den Verstand, aber nicht für unser inneres Kind und unsere emotionale Welt. „Verzeihen“ scheint auch nicht der richtige Weg, denn er stellt uns als Kinder über unsere Eltern und dies ist aus systemischer Sicht kein gesunder Platz. Wissen wir denn, wo die Schuld wirklich liegt? Vielleicht lassen wir das Bewerten lieber sein, das Leben wird dann deutlich einfacher! Es geht also darum:

  • Sich der unterdrückten Gefühle und Anteile unseres Selbst bewusst zu werden, sie zu akzeptieren und wieder zu integrieren und die Fremdanteile als solche zu erkennen und „auszusortieren“.

  • Zu erkennen, wo wir aufhören und das Gedankengut unserer Eltern und frühen Bezugspersonen beginnt.

  • Eine klare Grenze um unser Eigenes zu ziehen und so wieder Raum zu schaffen für uns selbst, für unsere eigenen Gedanken, unsere eigene Wertschätzung und unsere eigenen Begabungen. Für das, was wir waren, als wir diese Welt betraten und bevor „Erziehung“ und das „so sein“ unserer Eltern und ihr „emotionales Gepäck“ und die Umwelt uns geformt hat.

Wir müssen Verantwortung für uns selbst und unser verletztes inneres Kind übernehmen. Und dem Kind im Heute anbieten, was es nie hatte. Eine zuverlässige Bezugsperson, die es nicht im Stich lässt, auch wenn uns unsere Gefühle, bzw. die des emotional kindlichen Teils in uns, unangenehm sind. Wir müssen es im Umgang mit uns selber besser machen, als unsere Eltern es konnten. Wir müssen lernen, uns selbst gegenüber empathisch zu sein und unsere eigene innere Wahrheit anzuerkennen, sei sie noch so subjektiv, unangenehm und vielleicht auch gerade unpassend oder störend.

 

Sehen wir uns mit unseren eigenen Augen oder sehen wir uns mit den Augen unserer Eltern oder unserer Umwelt?

 

„Kinder lernen am Modell ihrer Eltern nicht nur was die Eltern sagen, sondern auch was sie ihnen verschweigen…..“ Oliver Schubbe

 

Es ist ein Weg - ein Weg, der in die Freiheit und in die Autonomie führt. Mit Hilfe der systemischen Therapie und der Biographiearbeit können wir diesen Weg gehen.